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Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter schützen und Unfälle reduzieren

Arbeitsunfälle sind ein ernstes Problem, sowohl für die Betroffenen als auch für das Unternehmen. Leider bleibt die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle im deutschsprachigen Raum weiterhin hoch. Doch es gibt Schritte, die Unternehmen jetzt ergreifen können, um diese Zahl ab dem Jahr 2023 zu verringern.

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Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter schützen und Unfälle reduzieren
Foto: ©AdobeStock/Andrey Popov

Von Stefan Ganzke

„Unternehmen, die seit längerer Zeit die gleiche Anzahl an Arbeitsunfällen haben oder keine Beinaheunfälle gemeldet bekommen, müssen sich selbst kritisch hinterfragen und neue Wege prüfen“, so Sicherheitsingenieur und Experte für Sicherheitskultur Stefan Ganzke. In diesem Beitrag teilt er seine fünf Tipps, wie Unternehmen die Akzeptanz für Arbeitsschutz erhöhen und dadurch die Zahl der Arbeitsunfälle reduzieren können.

Analyse bestehender Maßnahmen und Identifizierung von Schwachstellen

Es ist wichtig, zuerst die bestehenden Arbeitsschutzmaßnahmen zu überprüfen. Dabei sollten Management, Führungskräfte sowie Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sich bewusst machen, welche durchgeführten Aktivitäten in der Vergangenheit nachhaltig erfolgreich waren und diese beibehalten. Es gibt keinen Grund, Maßnahmen, die erfolgreich sind, zu verändern. Es ist jedoch wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, welche Maßnahmen nur wenig oder kaum Effekt zeigten oder eher einen Rückschritt der Sicherheitskultur darstellen.

Oftmals haben Unternehmen bereits viel Geld und Zeit in Maßnahmen investiert – am Ende sind die messbaren Ergebnisse allerdings weit hinter den Erwartungen, weil beispielsweise das Thema Arbeitsschutz noch immer als ein notwendiges Übel wahrgenommen wird und Schichtführer möglicherweise Manipulationen von Schutzeinrichtungen dulden. Um Fortschritte zu erzielen, ist es daher wichtig, alles kritisch zu hinterfragen und ein systematisches Review der Maßnahmen hinsichtlich der Organisation und Prozesse sowie deren Auswirkungen auf die Menschen im Unternehmen zu machen.

Arbeitsweise durch messbare Ziele sicher gestalten

Es ist wichtig, realistische und erreichbare Ziele zu setzen. Unternehmen sollten sich von unrealistischen „Null Unfall“-Zielen fernhalten, da sie oft unerreichbar und potenziell schädlich sein können. Monetäre Ziele führen nur kurzzeitig zu einer wirklichen Motivation. Zudem können sie auch das komplette Gegenteil auslösen: Steht das Jahresziel einer Führungskraft, beispielsweise null Unfälle zu erreichen, in Verbindung mit einem Anteil seiner Tantieme, so wird die Motivation für den Arbeitsschutz drastisch einbrechen, wenn bereits im Januar nach einem Glätte-Unfall ein Teil seines Entgelts wegfällt.

Ein gesundes und sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen, erfordert die Beteiligung aller Mitarbeiter und Führungskräfte. Statt unrealistische und potenziell schädliche Ziele wie „Null Unfälle“ zu verfolgen, sollten Unternehmen sich auf individuell erreichbare Ziele konzentrieren, wie zum Beispiel eine bestimmte Anzahl an Sicherheitsbegehungen, Sicherheitsgesprächen oder Unterweisungen pro Monat. Dies ermöglicht jedem Einzelnen, an der Sicherheitskultur zu arbeiten und das Safety Mindset des Unternehmens gemeinsam weiterzuentwickeln. So kann sich beispielsweise eine einzelne Führungskraft oder auch Mitarbeiter im Nachhinein fragen: Wie habe ich dazu beigetragen, dass wir unserer Vision von null Unfällen näher kommen?

Arbeitsschutz durch individuelle Strategien sicherstellen

Das Ziel eines Unternehmens sollte es sein, eine intrinsische Motivation für den Arbeitsschutz bei Führungskräften und Mitarbeitern zu erreichen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Einsatz von punktuellen, nicht aufeinander abgestimmten Maßnahmen kritisch zu bewerten. Deshalb brauchen Unternehmen eine Strategie mit einem systematischen Maßnahmenplan.

Hieraus sollte hervorgehen, welche konkreten Maßnahmen für einen Zeitraum von drei Jahren im Unternehmen geplant sind. Natürlich müssen Maßnahmen, wie beispielsweise Safety Leadership Trainings für Führungskräfte, Mitarbeiter-Workshops oder die Arbeit an Organisation und Prozessen auf die Rahmenbedingungen des Unternehmens abgestimmt sein. Hierdurch wird eine Überforderung der Organisation verhindert und ein nachhaltiger Erfolg ermöglicht. Im Entwicklungsprozess sollten neben den Sicherheitsingenieuren und Fachkräften für Arbeitssicherheit auch weitere Vertreter wie beispielsweise Teile des Managements einbezogen werden, um die Planungen an die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen.

Engagement aller Beteiligten im Unternehmen herstellen

Um eine erfolgreiche Safety Culture Strategie umzusetzen, ist es wichtig, dass sich alle Verantwortlichen dazu bekennen und ihr Commitment zeigen. Dazu gehören das Management, die Geschäftsführer und die Führungskräfte. Um die Belegschaft einzubinden, empfiehlt es sich, vor der Umsetzung erster Maßnahmen aus der Strategie die Mitarbeiter im Rahmen einer Informationsveranstaltung über die Ziele, Maßnahmen und Erwartungen zu informieren und zur Beteiligung zu motivieren. Ein Beispiel für eine solche Veranstaltung ist eine Betriebsversammlung, die allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden sollte. Ein gemeinsames Engagement und die Bereitstellung der notwendigen Menschen tragen dazu bei, den Arbeitsschutz nachhaltig zu fördern.

Frühzeitige Umsetzung der Maßnahmen

Nachdem alle Grundlagen geschaffen wurden, ist es wichtig, mit der Umsetzung zu beginnen. Ein guter Ansatzpunkt, um einfach mit einer ersten Veränderung zu Beginn des Jahres zu beginnen, sind beispielsweise Unterweisungen. Unternehmen sollten jedoch nicht stundenlang einmalige Unterweisungen mit langen PowerPoint-Präsentationen und einem Monolog des Vortragenden durchführen.

Stattdessen sollten sie die wichtigsten Inhalte und Informationen regelmäßig auffrischen, indem sie in periodischen Abständen kurze Unterweisungen direkt an den Arbeitsplätzen, wie beispielsweise an Maschinen oder Gabelstaplern oder auch in Workshops mit den Mitarbeitern, praktisch durchführen. Dabei sollten Führungskräfte bei den Unterweisungen am Arbeitsplatz die Mitarbeiter bestenfalls in Kleingruppen fragen, was die Gefährdungen sind und was entsprechende Schutzmaßnahmen sein sollten.

Die Durchführung von Unterweisungen oder Workshops ist stets zu dokumentieren. Dadurch wird die Rechtskonformität für Unternehmen sichergestellt. Die Kontrolle beziehungsweise Überwachung der durchgeführten Unterweisungen von Mitarbeitern liegt rechtlich bei den Führungskräften. Im Bereich des Arbeitsschutzes werden hierzu beispielsweise Audits oder Sicherheitsbegehungen durchgeführt, bei denen auch mal auf den Stand der Unterweisungen geschaut wird. Auf diese Weise zeigen Unternehmen bereits zu Beginn des Jahres, dass sie verstehen, was nicht funktioniert und dass sie kontinuierlich daran arbeiten werden, den Arbeitsschutz zu maximieren.

Fazit

Ein Unternehmen, das auf innovative und kreative Lösungsansätze setzt, kann schnell und effektiv Verbesserungen erreichen. Hierfür sind die Förderung von kritischem Denken und die Anregung von neuen Ideen notwendig. Ein weiteres wichtiges Element, das dazu beiträgt, eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen und die Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit zu erhöhen, ist die Würdigung und Anerkennung von positiven, sicheren Verhaltensweisen.

Finanzielle Anreize sind nicht zielführend, weil es nur kurzfristig eine Motivation zur Veränderung des Verhaltens gibt. Stattdessen sind Unternehmen besser damit beraten, eine gute Feedbackkultur auf allen Ebenen zu leben. Hierbei ist sicheres Verhalten zu loben und Mitarbeitern auch mal „Danke“ zu sagen, wenn sie sich für den Arbeitsschutz eingesetzt haben. Natürlich sollen auch hier Fortschritte „gefeiert“ werden, wobei sich eine kleine Geste wie die Einladung zum Essen im Betriebsrestaurant oder eine Runde Pizza vom Pizzabäcker um die Ecke eignen.

Stefan Ganzke ist zusammen mit Anna Ganzke Gründer und Geschäftsführer der WandelWerker Consulting GmbH. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit ihrem Team die Einstellung von Führungskräften und Mitarbeitern zum Arbeitsschutz im Unternehmen zu verbessern. Hierfür erarbeiten sie mit den Unternehmen eine Strategie, wie die Sicherheitskultur in den nächsten Jahren konkret weiterentwickelt werden kann und unterstützen die Sicherheitsingenieure, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Führungskräfte mit innovativen Trainings bei der Umsetzung. Weitere Informationen erhalten Sie unter: https://www.wandelwerker.com

Quelle: WandelWerker Consulting GmbH

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