Corona-Proteste als Treiber diffuser Motivation und rechtsmotivierte Straftaten verursachen meisten Gewaltopfer
Die politisch motivierte Kriminalität (PMK) hat im Jahr 2022 erneut deutlich zugenommen, wobei die Zahl der Delikte um über sieben Prozent auf 58.916 gestiegen ist - ein neuer Höchststand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001. Besonders besorgniserregend ist der Anstieg der politisch motivierten Gewalttaten um vier Prozent auf 4.043 Delikte.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte, dass Extremismusprävention und eine konsequente Strafverfolgung ein Kern der Strategie zur Bekämpfung von Extremismus sind. Die Gefahr durch Rechtsextremismus bleibt weiterhin hoch, wie die steigenden Zahlen der politisch motivierten Straftaten und Gewalttaten belegen. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, warnt vor Radikalisierungstendenzen und betont die Wichtigkeit der Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und des gesellschaftlichen Friedens.
Der Phänomenbereich „PMK nicht zuzuordnen“ ist aufgrund diffuser ideologischer Motivation der aufkommensstärkste Bereich mit 24.080 Straftaten. Ein Großteil dieser Straftaten steht im Zusammenhang mit den Protesten gegen Covid-19-Einschränkungen. Der Phänomenbereich „PMK rechts“ verzeichnet mit 23.493 Delikten den zweitmeisten Anteil an politisch motivierten Straftaten. Hier ist ein Anstieg um rund sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen, wobei auch die Zahl der Gewalttaten um etwa 12 Prozent auf 1.170 gestiegen ist. Rechtsextremisten stellen also nach wie vor eine große Bedrohung dar, wie die hohe Anzahl der Opfer von rechtsmotivierten Gewalttaten im Jahr 2022 belegt.
Die wichtigsten Trends in den einzelnen Problembereichen
Im letzten Jahr sind die Straftaten gegen Geflüchtete erneut gestiegen, wie von den Polizeibehörden verzeichnet wurde. Insgesamt wurden 1.420 Straftaten gegen Schutzsuchende gemeldet, was einem Anstieg von neun Prozent entspricht. Die Zahl der Gewaltdelikte ist sogar um 22 Prozent auf 278 Fälle gestiegen. Die Zahlen zeigen auch, dass Asylunterkünfte immer häufiger zum Ziel von Straftaten werden. Im Vergleich zum Vorjahr gab es hier einen Anstieg um 67 Prozent auf 120 Fälle.
Im Jahr 2022 sind die antisemitischen Straftaten um 12,75 Prozent zurückgegangen und betrugen 2.641 Fälle, verglichen mit 3.027 im Vorjahr. Dieser Rückgang ist auf den Höchststand im Vorjahr zurückzuführen, aber es gibt weiterhin Grund zur Besorgnis, da 88 Gewaltdelikte registriert wurden, im Vergleich zu 64 im Vorjahr. Die überwiegende Mehrheit der antisemitischen Straftaten, etwa 84 Prozent, werden politisch rechts motivierten Tätern zugeordnet. Allerdings gibt es auch Fälle, die auf islamistisch geprägten Antisemitismus zurückzuführen sind.
Im Bereich der „Reichsbürger/Selbstverwalter“ ist die Zahl der Straftaten erheblich angestiegen und beträgt nun 1.865 Fälle, was einer Zunahme von rund 39,7 Prozent entspricht. Die Zahl der Gewalttaten hat sich um etwa 40 Prozent auf 333 Fälle erhöht. Zwischen 2016 und dem Ende des vergangenen Jahres haben die Landesbehörden 1.100 waffenrechtliche Erlaubnisse von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ entzogen. Im Bereich der Hasskriminalität ist eine deutliche Zunahme von rund zehn Prozent auf 11.520 Fälle zu verzeichnen. Etwa drei von vier dieser Straftaten werden dem Bereich „PMK rechts“ zugeordnet. Die Zahl der Gewalttaten ist sogar um 33 Prozent auf 1.421 gestiegen.
Im Phänomenbereich „PMK links“ ist die Zahl der Delikte um rund 31 Prozent auf 6.976 Fälle gesunken. Bei den Gewalttaten gab es einen Rückgang um etwa 30 Prozent auf etwa 842 Fälle. Es gab im vergangenen Jahr keine wesentlichen Vorfälle wie die Beschädigung von Wahlplakaten, die nach dem Superwahljahr 2021 im linken Spektrum stattfanden. Auch waren nur wenige wirkungsvolle Kampagnen und relevante Großveranstaltungen im linken Spektrum zu verzeichnen. Gleichzeitig haben jedoch Klimaproteste im Jahr 2022 zu einem deutlichen Anstieg von linksmotivierten Straftaten geführt, wobei 1.585 Fälle registriert wurden. Mehr als 80 Prozent der registrierten Straftaten wurden der „PMK links“ zugeordnet.
Im Bereich „PMK religiöse Ideologie“ gab es im Jahr 2022 mit 481 Straftaten etwa gleich viele Delikte wie im Vorjahr (479). Trotzdem besteht weiterhin eine erhebliche Bedrohung durch islamistischen Extremismus und Terrorismus. Im Bereich „PMK ausländische Ideologie“ ist die Zahl der Straftaten auf 3.886 gestiegen, darunter 372 Gewalttaten (im Vergleich zu 140 im Vorjahr). Die Zunahme ist vor allem auf Resonanzstraftaten im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie dem Konflikt zwischen der Türkei und der PKK und der Lage im Iran zurückzuführen.
Neu eingeführte Themenfelder „frauenfeindlich“ und „geschlechtsbezogene Diversität“ verzeichneten insgesamt 623 Straftaten (206 bzw. 417). Im Vergleich zum Vorjahr, als nur das Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ erfasst wurde (mit 340 Straftaten), ist dies eine deutliche Zunahme. Bei den Gewaltdelikten innerhalb dieser Themenfelder gab es einen Anstieg um 42,5 Prozent. Im Themenfeld „sexuelle Orientierung“, das homophobe Straftaten erfasst, stieg die Zahl der Straftaten um etwa 15 Prozent auf 1.005 Delikte. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Dunkelziffer hier besonders hoch ist.
Die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität 2022 ist unter www.bmi.bund.de/pmk2022 abrufbar.
Quelle: BMI
Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts und Bundesinnenministerin Nancy Faeser
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