Wie sich die Sicherheit bei der Lieferketten- und Ressourcenplanung erhöhen lässt
Die Auswirkungen der aktuellen Krisen haben in vielen Unternehmen ihre Spuren hinterlassen. Sie mussten mit Schwankungen in Absatz und Bedarf, Lieferengpässen, Störungen in der Fertigung und Kostensteigerungen umgehen. Diese Herausforderungen haben nicht nur Anpassungen in der Planung und Geschäftsstrategie erfordert, sondern auch zu wachsenden Anforderungen an betriebliche Anwendungssysteme und IT-Infrastrukturen geführt.
Die Destabilisierung von Lieferketten durch Ereignisse wie die Corona-Pandemie, den Klimawandel und politische Konflikte hat in den letzten Monaten und Jahren zugenommen. Die aktuelle Energiekrise und die Knappheit von Rohstoffen und Vorprodukten in der Industrie tragen zur Unsicherheit bei und treiben zudem die Preise weiter nach oben. Dies verschärft die angespannte Situation bei Fertigungsunternehmen zusätzlich.
Deutschland, mit seinen starken Industriezweigen wie dem Automobil- und Zuliefermarkt, High-Tech, Metallverarbeitung und Maschinen- und Anlagenbau, ist stark auf die Endmontage von Produkten ausgerichtet, für die viele Vorprodukte und Bauteile von Industriepartnern benötigt werden. Wenn die Lieferung von Rohstoffen oder Vorprodukten ausbleibt, gefährdet dies die gesamten Fertigungsabläufe aller beteiligten Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette – eine problematische Konsequenz unserer langjährigen Zusammenarbeitsnetzwerke.
Um Risiken aufgrund instabiler Lieferketten zu minimieren und die Planungssicherheit zu verbessern, greifen immer mehr Unternehmen auf verschiedene Strategien zurück. Dazu gehört die Diversifizierung der Lieferketten und die Nutzung von mehreren Lieferanten. Zudem setzen sie auf Supply Relationship Management (SRM)-Systeme, die eine effiziente Steuerung der Lieferketten ermöglichen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Transparenz in Echtzeit, um Lieferkettenverläufe nachverfolgen und steuern zu können.
Diese Maßnahmen dienen dazu, die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen gegenüber Krisen zu stärken und ihre Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten zu reduzieren. Sie ermöglichen eine bessere Kontrolle über die Lieferketten und tragen zur Sicherung der Geschäftsprozesse bei.
Gesteigerte Nachfrage nach Lieferanten-/Supplier-Management-Funktionen
Die Industrie in der DACH-Region legt immer größeren Wert auf effektives Lieferantenmanagement, um potenzielle Engpässe frühzeitig zu erkennen und Risiken von bestehenden Einzelbezugsstrategien zu vermeiden. Immer häufiger wählen Einkäufer von Industrieunternehmen Lieferanten in der Nähe ihrer Produktionsstätten aus, nicht nur um die gestiegenen Logistikkosten zu umgehen, sondern auch um Ausfällen in der von Krisen gebeutelten Speditions- und Transportbranche entgegenzuwirken.
Mit dem am 22. Juli 2021 von der Bundesregierung erlassenen und am 1. Januar 2023 in Kraft tretenden Lieferkettengesetz werden lokale Unternehmen zudem in die Verantwortung genommen, die Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten sicherzustellen, einschließlich der Wahrung von Menschenrechten. Diese zusätzliche Compliance-Anforderung stellt viele Unternehmen vor neue Herausforderungen.
Der Bedarf an Zusatzwerkzeugen und ERP-Funktionen zur Unterstützung von Multilieferantenstrategien sowie an Lieferantenbeziehungsmanagement-Funktionen zur Bewertung wichtiger Lieferanten ist in den letzten 24 Monaten stark gestiegen. Auch die Nachfrage nach Business Intelligence-Berichten und Kennzahlen zur Lieferzuverlässigkeit, Lieferfähigkeit und individuellen Risikofaktoren ist sprunghaft angestiegen. Beim Lieferanten-Scoring werden verschiedene Kriterien zur Bewertung herangezogen, darunter Liefermengen, Produkt- und Servicequalität, Einhaltung von Lieferterminen, Preise und Gesamtkosten, Vertrauen, Entfernung, Abhängigkeit vom Lieferanten, Marktmacht, Liefer- und Zahlungsbedingungen sowie Kundenorientierung. Die Gewichtung dieser Kriterien kann je nach individuellen Anforderungen angepasst werden, um ein passenderes Risikoprofil zu erstellen.
Mit Advanced Planning & Scheduling (APS) gegen Kapazitätsengpässe
Im heutigen Geschäftsumfeld stehen Industrieunternehmen vor der Herausforderung von Ausfällen oder Engpässen bei Ressourcen wie Rohstoffen, Vorprodukten, Maschinen und Personal. Die Auswirkungen der Pandemie und die zeitweise knappe Personalsituation haben immer noch einen erheblichen Einfluss auf die Produktionsabläufe, was zu einer reduzierten Arbeitskraft an vielen Standorten führt. Die Planungsprozesse in der komplexen heutigen Produktionslandschaft sind fehleranfällig. Viele in der Industrie verwendete PPS-Systeme planen die Produktion entweder unter der Annahme unendlicher Ressourcen oder basierend auf verfügbaren Ressourcen, die jedoch nicht in Echtzeit erfasst werden können. Das Ergebnis ist eine unzuverlässige Produktionsplanung, bestenfalls ein Soll-Ablauf.
Es ist daher besonders wichtig, eine Vielzahl von Einflussfaktoren der Fertigungsprozesse und Lieferketten zu berücksichtigen und die Daten der Produktionsplanung mit den Daten der Bedarfsplanung zu verknüpfen, um zukünftige Entwicklungen besser vorherzusagen. Feinplanungswerkzeuge und Advanced Planning & Scheduling (APS)-Systeme nehmen die Fertigungsaufträge aus dem ERP-System entgegen und optimieren die Reihenfolge der Aufträge und Prozesse unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen. Durch Optimierungsrechnungen der Multiressourcenplanung werden nicht nur realistische Fertigungstermine ermittelt, sondern auch individuelle Zielvorgaben berücksichtigt, um die Termintreue zu verbessern, Durchlaufzeiten zu minimieren, Lagerbestände zu reduzieren und die Ressourcenauslastung zu optimieren. Eine Integration mit vor- und nachgelagerten Fertigungssystemen erhöht die Zuverlässigkeit der Planungsprozesse und ermöglicht eine optimierte Materialsteuerung.
Daten-Clouds integrieren
In der heutigen Unternehmenslandschaft wird es immer wichtiger, dass ERP-Systeme mit einer Vielzahl von vor- und nachgelagerten Systemen interagieren und kommunizieren können – sowohl innerhalb des eigenen Unternehmens als auch über Unternehmensgrenzen hinweg mit Drittsystemen. Angesichts der zunehmenden Komplexität von Unternehmensanwendungen und den steigenden Anforderungen seitens der Anwender setzen viele Unternehmen auf modulare Systeme, auch von verschiedenen Anbietern („Best-of-Breed“), obwohl sie diese über Schnittstellen integrieren müssen.
Die Integration von Daten, Anwendungen und Netzwerken aus der Cloud hat sich in den letzten Jahren für viele Unternehmen als effektives Instrument erwiesen, um die digitale Transformation mit überschaubarem Ressourceneinsatz voranzutreiben und den Datenaustausch mit Kunden, Lieferanten und Partnern entlang der Lieferkette zu automatisieren. Gleichzeitig wächst jedoch auch der Bedarf vieler Unternehmen, neue Fähigkeiten und Ressourcen für ihre eigene Cloud-Strategie aufzubauen. In den kommenden Jahren werden Unternehmen zunehmend Fachkräfte mit verschiedenen Fähigkeiten benötigen, darunter Cloud-Sicherheit, Datensicherheit, Cloud-Governance, Compliance (DSGVO, ISO), Projektmanagement und Change-Management, um ihre Cloud-Transformationsstrategien gemäß den gesetzlichen, Netzwerk- und Unternehmensvorgaben umzusetzen.
Eine sogenannte Cloud-Orchestrierung kann jedoch das Management verschiedener Cloud-Ressourcen und -Services vereinfachen, indem sie die Dienste über eine gemeinsame Plattform bündelt und steuert. Dadurch wird nicht nur die Zusammenarbeit der jeweiligen Cloud- und Container-Dienste erheblich erleichtert und optimiert, sondern es können auch die erforderlichen Ressourcen für die zunehmend beliebten Micro-Services bereitgestellt werden.
Die Betriebs- und Datensicherheit steht im Mittelpunkt der Cloud-Strategien in der Industrie
Die Betriebs- und Datensicherheit steht im Mittelpunkt der Cloud-Strategien in der Industrie. Neben dem Einsatz fortschrittlicher Technologien zeichnet sich die Industrie durch eng verzahnte Prozesse und eine umfassende Vernetzung von Menschen und Objekten aus. Um eine reibungslose Integration von digitaler Visualisierung, Verarbeitung und Speicherung in diese Prozesse zu gewährleisten, ist ein sicherer Datenaustausch mit vor- und nachgelagerten Systemen innerhalb und außerhalb des Netzwerks unerlässlich. Dabei geht es nicht nur um die Verfügbarkeit und Vertraulichkeit der Daten, sondern auch um den Schutz der Datenintegrität. Dies umfasst Mechanismen zur Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung von Daten, Zugangs- und Zugriffssicherung, Datenschutz sowie den Schutz der IT-Infrastrukturen und -Systeme.
Die vernetzte Produktion in smarten Fabriken im Rahmen von Industrie 4.0 stellt aufgrund ihrer komplexen Schnittstellen eine besondere Herausforderung dar. Im Gegensatz zur Finanzindustrie gibt es hier noch keine einheitlichen Richtlinien, Vorgaben und Protokolle. Es müssen Fragen beantwortet werden, wie beispielsweise: Welche Geräte dürfen welche Daten austauschen? Wie ist die Kommunikation abgesichert? Sind alle Geräte auf dem neuesten Stand der Patches? Wer hat Zugriff auf welche Daten? Sind Domänen- oder Netzwerkbeschränkungen festgelegt? Wie werden Zugriffe und Ereignisse protokolliert? Welche Daten gelten als kritisch? Und welche Protokolle greifen im Falle einer Unterbrechung des Datenflusses, um die Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb so gering wie möglich zu halten?
Als Orientierung dient der Cybersicherheitsstandard IEC 62443, der wesentliche Anforderungen an Sicherheitsmanagementsysteme für Industrial Control Systems (ICS) und Industriestandards für Anlagenbetreiber und Systemintegratoren behandelt. Um die Betriebs- und Datensicherheit zu gewährleisten, sind daher detaillierte Sicherheitskonzepte und zusätzliche Technologien erforderlich, um den spezifischen Anforderungen gerecht zu werden.
Wachsende Anforderungen an mobile Lösungen
Hybride Arbeitsmodelle haben sich in den letzten Jahren in vielen Bereichen der deutschen Wirtschaft etabliert. Dabei spielen mobile Lösungen und vernetzte virtuelle Arbeitsumgebungen eine entscheidende Rolle, um die Produktivität standortunabhängig und mit reibungsloser Organisation sicherzustellen. Sowohl in der Industrie als auch in der diskreten Fertigung werden mobile Lösungen eingesetzt, um wichtige Entscheidungen auf Basis von Echtzeitdaten zu treffen und Betriebsstörungen schnell zu beheben. Immer mehr Unternehmen stellen ihren Mitarbeitern anstelle von herkömmlichen Desktop-Arbeitsplätzen Laptops und Smartphones zur Verfügung, was bereits seit langem im Außendienst in Bereichen wie Vertrieb, Service, Beratung oder Logistik praktiziert wird. Laut dem Branchenverband Bitkom e.V. greifen bereits rund zwei Drittel aller Anwender über Notebooks auf ERP-Systeme zu, etwa die Hälfte nutzt das Smartphone und ein Viertel greift auf das Tablet zurück. Der mobile Zugriff auf Informationen wie Angebote, Preise, Bestellungen, Aufträge, Stammdaten, Warenbestände oder Liefertermine ist von großer Bedeutung für die Effizienz und Qualität der Geschäftsprozesse.
Mit der zunehmenden mobilen Nutzung von ERP-Systemen geht jedoch auch eine Veränderung des Nutzungskonzepts einher, um eine gewisse Effektivität und Produktivität sicherzustellen. Im Vergleich zu Desktop-PCs erfordert der Einsatz auf mobilen Geräten mit ihren begrenzten Bildschirmgrößen einfache und intuitive Bedienroutinen. Der Umgang mit Apps im privaten Umfeld hat auch die Anforderungen an die mobile Nutzung von Geschäftsanwendungen geprägt. Kontextsensitive Funktionen, Touchscreen-Bedienung und einfache Bedienkonzepte ohne Schulungen sind heute wichtige Parameter für mobile ERP-Lösungen. Allerdings gibt es immer noch eine langsame Entwicklung von Apps seitens der ERP-Anbieter. Die Aufteilung der hochintegrierten ERP-Anwendung in mehrere native Apps, die auf bestimmte Rollen und Bereiche zugeschnitten sind, ist bisher nur in einigen Bereichen umgesetzt worden oder steht bei den meisten Anbietern noch auf der Agenda. Insbesondere die Anforderungen an Daten- und Informationssicherheit sowie die Offline-Fähigkeit bei instabiler Internetverbindung machen die Entwicklung von Apps zu einer komplexen und ressourcenintensiven Herausforderung. Während einige ERP-Hersteller (die nicht cloud-native sind) ihr Lösungsportfolio zunächst um zusätzliche Web-Anwendungen erweitert haben, um zumindest einen Teil der Anwendungslandschaft mobil zugänglich zu machen, haben andere bereits ihre ERP-Lösungen vollständig auf Web-Technologien umgestellt und durch native Mobilanwendungen ergänzt. Aufgrund des zunehmenden Zugriffs über Mobilgeräte wird das Angebot an spezifischen nativen Apps voraussichtlich weiter ausgebaut werden.
KI-Einsatz bleibt noch hinter seinem Potenzial zurück
KI-basierte Anwendungen dringen immer weiter in verschiedene Arbeitsbereiche vor und unterstützen heute nicht nur bei der Auswertung und Nutzung großer Datenmengen, sondern auch bei der Verbesserung von Planungen und Prognosen, der Automatisierung wiederkehrender Aufgaben und der Vereinfachung strategischer Entscheidungen. Mit ihren Kernfähigkeiten wie „Wahrnehmen“ (Auswertung von Sensor-, Bild- und Videodaten), „Lernen“, „Verstehen“ (trainierbare Verfahren) und „Handeln“ (autonome Prozesssteuerung) können KI-Anwendungen in ERP-Systemen vielseitig eingesetzt werden. Sie erkennen Abweichungen und Fehlerentwicklungen, initiieren Prozesse und unterstützen die Selbstregulierung von Geschäftsanwendungen – zumindest in der Theorie. In der Praxis sind jedoch die KI-Funktionen in ERP-Systemen über die Erfassung von Daten, die Verarbeitung von Rechnungseingängen und die Optimierung von Service und Supply Chain hinaus noch recht begrenzt, insbesondere wenn man das Potenzial der KI-Funktionen für ERP-Lösungen betrachtet. Funktionen wie die Eingabe per Spracherkennung, die laut Fraunhofer IAIS zu den am häufigsten gewünschten KI-Funktionen zukünftiger ERP-Systeme gehört, Echtzeitübersetzungen und selbststeuernde Prozesse sind zwar attraktiv, aber die Anwendung von selbstregulierenden Systemen im individuellen Lösungs- und Unternehmenskontext erfordert Expertenwissen von Data Scientists, KI-Managern und KI-Entwicklern. Dies beinhaltet die Aufbereitung von Daten für die Analyse, die Entwicklung lernfähiger Algorithmen für den spezifischen Anwendungsfall und die Überwachung der KI-Modelle – ein Aufwand, den viele Unternehmen derzeit noch zögern.
Quelle: SoftSelect