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Phantomspediteure schlagen gnadenlos zu: Transportversicherer warnen vor Phantomspediteuren

Mit gefälschten Identitäten und fingierten Frachtpapieren stehlen Kriminelle ganze LKW-Ladungen. Auf der Fachtagung Transport des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wurde deutlich: Die Zahl solcher Fälle steigt rapide. Versicherer fordern dringend mehr Wachsamkeit und Sorgfalt bei der Vergabe von Transportaufträgen, um Schäden in Millionenhöhe zu verhindern.

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Phantomfrachtführer
Foto: Marcin Jozwiak/Unsplash

Anders als beim klassischen Ladungsdiebstahl, bei dem Fracht meist auf Rastplätzen gestohlen wird, setzen die Täter auf Täuschung. Sie geben sich mit gefälschten Unterlagen als legitime Frachtführer aus – und holen die Ware direkt beim Versender ab. „Die Zahl der Betrugsfälle durch sogenannte Phantomfrachtführer hat zuletzt drastisch zugenommen“, erklärte Jens Jaeger vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bei einer Fachtagung in Berlin. Auch Risiken in der Lagerhaltung und die Auswirkungen globaler Krisen auf Lieferketten wurden dort diskutiert – doch das Thema Phantomfracht dominierte.

Online-Frachtbörsen als Einfallstor

Die Täter nutzen systematisch Online-Frachtbörsen, über die täglich zehntausende Transportaufträge vergeben werden. Kriminelle erkennen dort lohnenswerte Frachten und treten anschließend außerhalb der Plattform mit gefälschten Identitäten an die Auftraggeber heran – oft mit nur minimal veränderten E-Mail-Adressen oder manipulierten Dokumenten. „Der Aufwand ist gering. In der Hektik des Tagesgeschäfts fallen diese Unstimmigkeiten häufig nicht auf“, so Klaus Baier von der Beratungsfirma Desa, die sich auf Betrugsaufklärung im Logistiksektor spezialisiert hat.

Zahlen, die alarmieren

Baier führt seit 2022 eine Liste dokumentierter Fälle. Die Entwicklung ist eindeutig: Von 80 Einträgen im Jahr 2022 stieg die Zahl 2024 auf 266. In den ersten vier Monaten des Jahres 2025 wurden bereits 202 neue Betrugsversuche registriert. Der volkswirtschaftliche Schaden ist immens – er nähert sich dem des klassischen Ladungsdiebstahls, den der GDV jährlich auf rund 1,3 Milliarden Euro beziffert.

Schwachstelle: mangelnde Kontrolle

Versicherer drängen auf mehr Sorgfalt bei der Auswahl von Subunternehmen. Der GDV empfiehlt, Identitäten, Handelsregisterauszüge und Adressdaten gründlich zu prüfen und von Subauftragnehmern nachvollziehbare Referenzen zu fordern. Auch Baier warnt: „Rund drei Viertel der aktuellen Fälle beruhen auf Identitätsdiebstahl – durch saubere Prüfprozesse lassen sich viele davon vermeiden.“

Neue Maschen: Briefkastenfirmen und gekaufte Speditionen

Doch die Täter verfeinern ihre Methoden: Inzwischen gründen sie eigene Scheinfirmen mit Zugang zu Frachtbörsen und offiziellen Dokumenten. Manche kaufen gezielt insolvenzreife Speditionen auf, um diese als Fassade für kriminelle Aktivitäten zu nutzen – so lange, bis der Betrug auffliegt und die Firma ausgebrannt ist. In einem Fall konnten über eine einzige Tarnfirma 40 Ladungen gestohlen werden.

Strukturen wie in der organisierten Kriminalität

Der Aufwand ist hoch – doch er lohnt sich offenbar: „Wir sprechen hier von organisierter, grenzüberschreitender Kriminalität“, betont Baier. Während es früher europaweit etwa sechs aktive Tätergruppen gab, sind es heute Dutzende. Die Banden agieren hochprofessionell, mit Insiderwissen aus der Branche und detaillierten Kenntnissen über Routen, Ladepunkte und wertvolle Frachtarten.

Gezielte Beutezüge – von Kupfer bis Elektronik

Die Täter wissen genau, was sich lohnt: Kupfer, Messing, Fahrräder, Smartphones, Düngemittel oder Solarpaneele – alles, was sich schnell weiterverkaufen lässt. „Teilweise existieren regelrechte Schattenlager wie bei Großhändlern“, sagt Alexander Gsell von der KRAVAG. Der durchschnittliche Schaden pro gestohlener Ladung liegt bei rund 100.000 Euro. In einem besonders schweren Fall verschwanden Elektronikbauteile im Wert von 3,6 Millionen Euro.

Viele gestohlene Waren landen in Osteuropa oder den Benelux-Staaten. Die rechtlichen Bedingungen dort kommen den Tätern entgegen: In einigen Ländern ist der gutgläubige Erwerb gestohlener Ware gesetzlich zulässig – was den Schwarzmarkt zusätzlich befeuert.

Karsten Röbisch, GDV

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