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Warum das neue KRITIS-Dachgesetz die Logistikbranche neu definiert

Kaum eine Branche ist so lebenswichtig – und gleichzeitig so verwundbar – wie die Logistik. Mit dem KRITIS-Dachgesetz rückt dieser systemrelevante Sektor nun stärker in den Fokus gesetzlicher Anforderungen. Wer sich rechtzeitig vorbereitet, kann daraus echten Mehrwert ziehen.

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Philip Meyer

2 Min. Lesezeit
Digitalisierte Pakete mit Datenüberlagerung auf einem Förderband in einem automatisierten Hochregallager

Lieferketten für Lebensmittel, Medikamente oder Industriekomponenten dürfen selbst unter schwierigsten Bedingungen nicht reißen. Das neue KRITIS-Dachgesetz, dessen Regierungsentwurf bereits im November 2024 verabschiedet wurde, verpflichtet zentrale Akteure in der Logistik nun erstmals zu konkreten Sicherheitsmaßnahmen. Der Entwurf definiert die „Sektorübergreifende Logistik“ explizit als kritischen Bereich – auf einer Stufe mit Energieversorgung, Gesundheit oder Informationstechnik.

Betroffen sind Unternehmen, die für das Gemeinwohl unverzichtbare Transport- oder Umschlagprozesse gewährleisten: Distributionszentren, zentrale Logistikknoten oder Betreiber multimodaler Verkehrsverbindungen. Sie müssen künftig unter anderem eine umfassende Risikoanalyse vorlegen, ein Sicherheitskonzept entwickeln und nachweisen, dass ihre Prozesse auch bei Störungen weiterlaufen. Meldepflichten bei schwerwiegenden Vorfällen, regelmäßige Prüfungen und revisionssichere Dokumentation gehören ebenfalls zu den Anforderungen.

Komplexität, Vernetzung – und enorme Abhängigkeiten

Moderne Logistik ist ein physisch wie digital hochgradig vernetztes System, das über Ländergrenzen hinweg funktioniert. Lieferketten sind abhängig von einer Vielzahl externer Partner. In dieser Gemengelage genügt ein einziger Ausfall – etwa durch Cyberangriffe, extreme Wetterlagen oder Systemfehler –, um weitreichende Störungen zu verursachen. Zudem arbeiten viele Betreiber nach Just-in-time Strategie. Diese erhöht zwar die Effizienz, lässt jedoch wenig Puffer für Notfälle.

Das KRITIS-Dachgesetz macht deutlich: Die reine Verfügbarkeit reicht nicht mehr. Gefordert wird funktionale Resilienz – die Fähigkeit, auf Störungen nicht nur zu reagieren, sondern ihnen strukturell zu begegnen. Das stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen, bietet aber auch die Chance, Sicherheitsmanagement neu zu denken.

Mehr als Zutrittskontrolle: Resilienz braucht System

Moderne Sicherheitsstrategien setzen nicht mehr allein auf Überwachungskameras und Zäune. Vielmehr braucht es ein ganzheitliches Risikomanagement, das präventiv, anpassungsfähig und lernfähig ist. Dazu gehören unter anderem:

  • Segmentierung von IT- und OT-Netzen zur Begrenzung digitaler Angriffsflächen
  • Szenarienplanung und Stresstests für Stromausfälle, Cyberangriffe oder Personalengpässe
  • Redundante Infrastruktur wie Notstrom, unterbrechungsfreie Stromversorgung und Backup-Systeme
  • Business Continuity Management (BCM) mit klaren Eskalationsstufen und Wiederanlaufplänen
  • Schulung aller Mitarbeiter – vom Lager bis zur Geschäftsführung

Neu ist vor allem die gesetzlich geforderte Nachvollziehbarkeit all dieser Maßnahmen. Was früher als freiwillige Best Practice galt, wird jetzt verbindlicher Standard. Unternehmen müssen nicht nur handeln, sondern auch nachweisen, dass sie vorbereitet sind.

Sicherheit wird zum strategischen Faktor

Doch das KRITIS-Dachgesetz ist mehr als eine regulatorische Verpflichtung. Es eröffnet die Chance, Sicherheitsmanagement strategisch zu positionieren. Wer vorbereitet ist, kann in kritischen Situationen schneller agieren, die Lieferfähigkeit sichern und das Vertrauen von Kunden, Partnern und Behörden stärken.

Gerade im B2B-Bereich sind verlässliche Notfallkonzepte längst ein gefragtes Qualitätsmerkmal – ähnlich wie Nachhaltigkeitsstrategien oder Digitalisierungsvorsprung. Resilienz wird so zum Wettbewerbsvorteil.

Die Bedrohungslage ist real: Geopolitische Spannungen, Extremwetter und gezielte Angriffe auf Lieferketten nehmen zu. Gleichzeitig steigt der regulatorische Druck. Unternehmen, die frühzeitig in strukturierte Sicherheitsmaßnahmen investieren, stärken nicht nur sich selbst – sie leisten auch einen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa.

Jetzt handeln – für mehr Zukunftssicherheit

Mit dem KRITIS-Dachgesetz ist die Zeit des Reagierens vorbei. Sicherheit muss geplant, geprüft und dokumentiert werden. Wer jetzt handelt, schützt nicht nur sein Unternehmen vor Risiken und Sanktionen, sondern macht es krisenfest für eine zunehmend unsichere Zukunft. Die Investition in Resilienz zahlt sich aus – ökonomisch, rechtlich und gesellschaftlich.

Porträt Gandhi Gabriel
Foto: Rebecca Schwarz

Gandhi Gabriel, Geschäftsführer der SSB – Sicherheit, Service und Beratung GmbH

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