Globale Videoüberwachung außer Kontrolle: Videoüberwachung weltweit: Der große Städte-Vergleich
Videoüberwachung im öffentlichen Raum nimmt weltweit rasant zu – doch wie stark einzelne Städte auf Überwachung setzen, variiert erheblich. Eine neue Studie zeigt: Während in Dubai zehntausende Kameras jede Bewegung erfassen, sind deutsche Städte deutlich zurückhaltender. Doch das könnte sich ändern.

Eine aktuelle Analyse des Berliner Datenschutzunternehmens heyData hat die Verbreitung öffentlicher Überwachungskameras in 21 internationalen Metropolen untersucht – darunter London, Dubai, Peking, aber auch Berlin, München und Hamburg. Die Studie basiert auf öffentlich zugänglichen Quellen wie Regierungsberichten, Marktanalysen und eigenen Berechnungen (Stand: Juli 2025). Untersucht wurde nicht nur die absolute Zahl an Kameras, sondern auch ihre Dichte im Verhältnis zur Fläche und zur Einwohnerzahl.
Die Ergebnisse sind alarmierend: Während in Dubai mehr als 8.500 Kameras pro Quadratkilometer installiert sind, liegt die Dichte in München bei gerade einmal 32 Kameras auf derselben Fläche. Noch deutlicher wird der Unterschied bei einem Blick auf die Gesamtzahlen: Allein London zählt etwa eine Million öffentliche Kameras – das entspricht rund 600 pro Quadratkilometer. Damit gehört die britische Hauptstadt zu den am stärksten überwachten Städten Europas. Peking nähert sich mit rund 800.000 Kameras und hochentwickelten KI-Systemen einem vollständigen Überwachungsnetz.
Risiken durch moderne Technik: KI-gestützte Videoanalysen ermöglichen detaillierte Bewegungsprofile
Neben der schieren Anzahl von Kameras sorgt vor allem der technologische Fortschritt für neue Herausforderungen. Moderne Systeme kombinieren klassische Videotechnik mit künstlicher Intelligenz und Gesichtserkennung. Damit lassen sich nicht nur Menschen identifizieren, sondern auch detaillierte Bewegungs- und Verhaltensmuster analysieren – nahezu in Echtzeit.
Datenschützer warnen, dass dadurch ganze Städte in kontrollierte Zonen verwandelt werden könnten. Besonders kritisch ist die Lage in Ländern mit schwachen Datenschutzgesetzen: In China etwa wird Videoüberwachung aktiv zur sozialen Kontrolle eingesetzt, in den Vereinigten Staaten kommen KI-gestützte Systeme zunehmend auch im privaten Sektor zum Einsatz – etwa in Einkaufszentren oder an Schulen. Die Europäische Union ist zwar rechtlich deutlich restriktiver, doch auch hier steigen Einsatz und Akzeptanz von Überwachungstechnologien kontinuierlich.
Deutschland noch datensparsam
Im Vergleich dazu wirkt Deutschland geradezu zurückhaltend: In Berlin sind vier Kameras pro tausend Einwohner im Einsatz, in Hamburg und München jeweils sieben. Stuttgart liegt bei fünf. Gründe für diese Zurückhaltung finden sich nicht zuletzt in der Geschichte: Die Erfahrungen mit Überwachung im Nationalsozialismus und in der DDR haben ein tiefes Bewusstsein für informationelle Selbstbestimmung und Datenschutz hinterlassen.
Gleichwohl mehren sich auch hierzulande die Stimmen, die eine Ausweitung der Videoüberwachung fordern – vor allem an Orten mit hohem Personenaufkommen wie Bahnhöfen, Innenstädten oder bei Großveranstaltungen. Befürworter argumentieren mit besseren Aufklärungsraten und einem gesteigerten Sicherheitsgefühl. Kritiker hingegen warnen vor einer schleichenden Normalisierung der Überwachung – und einem irreversiblen Verlust an Freiheit.
Überwachung verändert Verhalten
Was häufig unterschätzt wird: Überwachung wirkt auch psychologisch. Studien belegen, dass Menschen unter Kamerabeobachtung ihr Verhalten ändern. Sie vermeiden riskantes oder unkonventionelles Verhalten, selbst wenn es legal ist – ein Phänomen, das als „chilling effect“ bekannt ist. Die permanente Sichtbarkeit führt zu einem Gefühl innerer Unfreiheit: Menschen beginnen, sich selbst zu zensieren, um nicht aufzufallen.
Zudem besteht die Gefahr, dass Überwachungstechnologien diskriminierend wirken. Gesichtserkennungssysteme etwa arbeiten bei Minderheiten nachweislich weniger zuverlässig. Falschzuordnungen und fehlerhafte Verdächtigungen sind die Folge. Das kann bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten weiter verschärfen und das Vertrauen in öffentliche Institutionen untergraben.
Datenschutzrechtliche Einordnung
In der Europäischen Union setzt die Datenschutz-Grundverordnung klare Leitplanken: Videoüberwachung im öffentlichen Raum muss verhältnismäßig sein, einen legitimen Zweck verfolgen und datensparsam gestaltet werden. Besonders streng sind die Regelungen bei sensiblen Daten wie biometrischen Merkmalen. Dennoch: Auch innerhalb Europas sind die Unterschiede groß. Frankreich etwa setzt nach Terroranschlägen massiv auf Kameras im öffentlichen Raum – aktuell rund 318 pro Quadratkilometer in Paris.
In Ländern außerhalb Europas ist die Gesetzeslage meist deutlich laxer. In China oder Dubai existieren kaum rechtliche Hürden für die Installation und Nutzung von Überwachungstechnologie. Die Folge: Eine nahezu lückenlose visuelle Erfassung der Bevölkerung – ohne wirksamen Schutz vor Missbrauch oder staatlicher Willkür.
Offene Debatte dringend nötig
Miloš Djurdjević, Co-Founder und Geschäftsführer von heyData, bringt es auf den Punkt: „Die wachsende Zahl an Kameras und der Einsatz neuer Technologien wie Gesichtserkennung bergen enorme Risiken für unsere Freiheit. Wenn wir nicht aufpassen, könnten öffentliche Räume bald Orte werden, an denen Menschen sich nur noch überwacht und eingeschränkt bewegen.“
Die Studie von heyData zeigt: Die technischen Möglichkeiten zur Überwachung wachsen schneller als der gesellschaftliche Diskurs über deren Folgen. Umso dringlicher ist eine offene Debatte darüber, wie viel Überwachung eine freie Gesellschaft ertragen kann – und wo rote Linien gezogen werden müssen. Denn Kameras mögen Kriminalität bekämpfen können. Doch sie verändern auch, wie wir uns in unserer Welt bewegen – und wer wir in ihr sein dürfen.
Quelle: heyData

Miloš Djurdjević, Mit-Gründer und Geschäftsführer von heyData