Deutsche DefTech-Startups beklagen mangelnde Fähigkeit zur Landesverteidigung
Veraltete Prozesse, lähmende Regulierung und ein Mangel an Risikokapital sorgen dafür, dass viele vielversprechende Verteidigungs-Startups in Deutschland nicht abheben – oder gleich ganz das Weite suchen. Bürokratische Hürden und undurchsichtige Beschaffungsverfahren lassen digitale Innovationen in der Verteidigung steckenbleiben. Nur jedes dritte DefTech-Startup würde sich noch einmal für Deutschland entscheiden – ein Warnsignal für die sicherheitspolitische Zukunft.

Wie bewerten Gründer die militärische Lage?
Deutschland kann sich nach Einschätzung vieler Gründerinnen und Gründer von DefTech-Startups derzeit nur eingeschränkt gegen militärische Angriffe verteidigen. In einer aktuellen Umfrage der Startup-Initiative Get Started des Digitalverbands Bitkom geben 71 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer an, dass sie die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands für gering halten – ein Viertel (25 Prozent) schätzt sie sogar als sehr gering ein. Befragt wurden 44 Startups, die digitale Technologien für den militärischen Bereich oder sogenannte Dual-Use-Anwendungen – also sowohl zivile als auch militärische Einsätze – entwickeln.
Was fordern DefTech-Startups vom Staat konkret?
Die Forderung der Branche ist eindeutig: Wenn Deutschland die angekündigte sicherheitspolitische „Zeitenwende“ ernst meint, braucht es einen konsequenten digitalen Neustart bei der Verteidigung. Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst macht klar: „Von Aufklärungsdrohnen über Künstliche Intelligenz zur Lageanalyse bis hin zu Software Defined Defense – digitale Technologien sind heute ein zentraler Schlüssel für eine schlagkräftige Bundeswehr.“ Neben den etablierten Rüstungsunternehmen müssten daher gerade Tech-Startups eine deutlich stärkere Rolle bei der Modernisierung der Streitkräfte spielen. Sie könnten nicht nur zur technologischen Stärkung beitragen, sondern auch helfen, die Bundeswehr für den dringend benötigten Nachwuchs attraktiver zu machen.
Innovationen scheitern an starren Verfahren
Doch der Weg dorthin ist steinig. Ausnahmslos alle befragten Startups – also 100 Prozent – fordern, dass das Beschaffungswesen dringend vereinfacht und beschleunigt werden muss. Die bisherigen Prozesse sind für junge, agile Unternehmen schlicht nicht tragbar. Innovationszyklen in Startups laufen schneller, als Ausschreibungen in Behörden überhaupt veröffentlicht werden.
Warum braucht es Reallabore und öffentliche Mittel?
Um neue Technologien schneller zur Einsatzreife zu bringen, sprechen sich 84 Prozent der Befragten für sogenannte Reallabore aus. Das sind Testumgebungen, in denen Innovationen unter realistischen Bedingungen erprobt werden können – ohne durch übermäßig strikte Regulierungen ausgebremst zu werden, wie es etwa im Bereich der Drohnentechnologie aktuell oft der Fall ist.
Ebenfalls 84 Prozent der Startups fordern mehr öffentliche Investitionen in junge Verteidigungsunternehmen. Diese sollen nicht nur eigene Entwicklungen ermöglichen, sondern vor allem auch helfen, mehr privates Kapital für diesen sensiblen Bereich zu mobilisieren. Fast vier von fünf Befragten (79 Prozent) wünschen sich zudem eine bessere Vernetzung: Die Vielzahl von Initiativen, Förderprogrammen und militärischen Innovationseinheiten müsse stärker gebündelt werden. Auch sogenannte Leuchtturm-Kooperationen – also strategisch wichtige Partnerschaften zwischen Startups, Industrie und Staat – werden von drei Viertel (75 Prozent) der Gründerinnen und Gründer als notwendig erachtet.
Wo sehen junge Unternehmen bessere Chancen?
Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen sehen viele junge Unternehmen den Standort Deutschland skeptisch. Nur 39 Prozent würden ihr Unternehmen noch einmal hier gründen. Dagegen ziehen 59 Prozent inzwischen andere Standorte vor – darunter die Vereinigten Staaten (25 Prozent), andere europäische Länder (16 Prozent) oder Regionen außerhalb Europas (18 Prozent). Zwei Prozent würden sich sogar ganz gegen eine erneute Gründung entscheiden.
Das Imageproblem von DefTech
Ein Grund für diese Skepsis ist auch das gesellschaftliche Klima: In Deutschland haben militärisch nutzbare Technologien noch immer ein negatives Image. Ein Drittel der Befragten (34 Prozent) fühlt sich mit ihrer Arbeit nicht wertgeschätzt. Bitkom-Präsident Wintergerst betont deshalb: „Wer mit seinem Startup einen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands leistet, hat unsere öffentliche Anerkennung verdient.“
Die vollständigen Ergebnisse der Befragung stehen hier online bereit.